Je mehr du versuchst zu überzeugen,
desto unglaubwürdiger wirst du.

Humberto Maturana




 

 


 GEWALTPRÄVENTION
Ein EU-Projekt — Ein Friedensprojekt?

 

Dr. phil. Peter Amann



Was ist das Problem?
Gewaltszenarien beherrschen immer mehr den medialen Alltag. Von den kleinen versteckten aggressiven Szenarien in Familien und familiären Wohngruppen, bis zu verstecktem und auch offenem Mobbing in Betrieben, öffentlichen Organisationen bis zur harten zerstörerischen Gewalt: die mediale Vermittlung des Phänomens Gewalt ist ein beinahe allgegenwärtiges, und zugleich überraschendes Phänomen in unserer hochentwickelten Wohlstandsgesellschaft. „Gewalt“ teilt in der medialen Darstellung die Gesellschaft in Täter und Opfer. Medial vermittelte Gewaltphänomene lösen – in welcher Form auch immer - Ängste bei den möglichen und tatsächlichen Opfern aus. Die tatsächlichen Opfer müssen, um weiterleben zu können, die erlebten Ängste sehr oft verdrängen und die erlittene Angst von der bewussten Persönlichkeit abtrennen. Denken wir beispielsweise an missbrauchte Kinder, die oft nach Jahrzehnten des Verdrängens sich
immer noch sehr schwer tun, über den erlittenen Missbrauch zu sprechen. Werden diese verdrängten und von der Persönlichkeit abgespaltenen Anteile nicht aufgearbeitet und keine zukunftsgerichteten Strategien entwickelt, können die verdrängten Anteile die Persönlichkeit hemmen und in der Entfaltung des eigenen vollen Potentials ein Leben lang einschränken. Aus gegebenem Anlass kann dann ein Opfer selbst auch zum Täter werden. Zur Veranschaulichung ein Beispiel: Ein 26-jähriger Mann, der selbst, als fremdsprachiger und drogenabhängiger Immigrant zum Aussenseiter wurde und der den dreijährigen Cain tötete, erklärte seine grausame Tat so: „Wenn die beiden Buben nicht folgsam waren, bin ich wütend und aggressiv geworden. Mein Gehirn stellte sich ab. Ich sehe dann schwarz. Ich möchte dann nur noch etwas kaputt machen, damit meine ich Gegenstände. Mein Körper macht dann alles von selbst. Ich kann nichts mehr steuern. Ich wollte ihn (den 3jährigen Cain) nicht verletzen, ich wollte bestrafen, um ihm beizubringen, dass das, was er gemacht hat, falsch ist.“
Diese Selbstanalyse eines Täters zeigt im Selbstverständnis dieses Mörders, das ungeheure Zerstörungspotential, das in einem Menschen verborgen sein kann. Wie kann dieses Phänomen erklärt, besser – wie kann dieser gefährlichen und Angst machenden Entwicklung präventiv begegnet werden?
Reicht eine Analyse des Problems, dem kausalen Prinzip von Ursache (Wut und Aggression) und beabsichtigter Wirkung (etwas beibringen) folgend, aus, um das Phänomen Gewalt ausreichend objektiv erklären und subjektiv verstehen zu können?
Die Analyse kann verschiedene Einzelursachen des Problems durch wissenschaftliche Methoden untersuchen. Sie kann den genetischen Code, die biologischen, die psychologischen, soziologischen und sozioökonomischen und andere Ursachen einzel- wissenschaftlich untersuchen und die Ergebnisse zu einem Ursachen-Mix miteinander verknüpfen, um eine Disposition zur Gewalt darzustellen.
Es stellt sich jedoch angesichts der akuten medial vermittelten Gewaltszenarien die Frage nach der Wirksamkeit und konkreten Umsetzbarkeit solcherart gewonnener Erkenntnisse im konkreten Alltag der „HelferInnen“ (Eltern, Geschwister, PädagogInnen, PolizistInnen) und aller Personen, die beruflich und privat mit dem Gewaltphänomen konkret konfrontiert werden. Darüber hinaus sollte der Frage nachgegangen werden, wie können die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und Voraussetzungen so verändert werden, dass ein gewaltfreies Miteinander vor allem der Heranwachsenden ermöglicht und durch konkrete Massnahmen verbessert wird.

Dazu einige Fragen mit möglichen Antworten:



1. Spezifische Frage: Ist Gewalt ein männliches Phänomen? Wenn Ja,
brauchen junge Männer eine spezifische Hilfe?

Gewalttäter, die verurteilt wurden, sind zu 95 Prozent männlich. Die Gewalt-Spirale beginnt sich bei den späteren Tätern schon in jungen Jahren aufzubauen: vor allem junge Männer beginnen ihre gesellschaftliche Rolle aus verschiedenen Motiven zu üben. In sozialen Gruppen – oder im Stillen. Wie zuletzt der – es fehlen die Worte - Schrecken und Trauer verbreitende, fast „normal“ wirkende Täter in Norwegen, jahrelang allein und unbemerkt sich für seine ungeheuerlichen Gewalttaten vorbereiten konnte.
Dazu einige weitere Fragen:

Was muss die Wohlstandsgesellschaft von Grund auf neu verstehen lernen?
Was sind die Ursachen der Gewaltexzesse und wie können die Bedingungen, die zur Entstehung führen, so verändert werden, dass Gewalt spür- und messbar abgebaut werden kann?
Welche Motive – innere und äussere – sind es, die Menschen dazu bringen, andere Menschen zu quälen, zu verletzen und letztlich gar zu töten?
Was kann, soll und muss getan werden, um Gewaltanwendung durch friedliche Mittel zu ersetzen, um persönliche Diskriminierung, Demütigungen, Ausgrenzung im Frühstadium ihres Entstehens ausschliessen zu können?
Wie kann Frieden als tatsächliches Lebensprinzip allgemein anerkannt und im konkreten Lebensalltag umgesetzt werden?

2. Spezifische Frage: Was kann die Logotherapie und Existenzanalyse
Viktor E.Frankls für die erfolgreiche Umsetzung
einer Gewaltvermeidenden Lebensweise beitragen?

Viktor E. Frankl, der selbst das KZ Auschwitz und weitere KZ überlebte, entwickelte nach seinen Erfahrungen im Konzentrationslager seine Logotherapie und Existenzanalyse, eine am Sinn orientierte Psychotherapie, die nun auch in der Gewaltprävention Bedeutung gewinnt.
Was ist das Problem der Gewalt – aus der Sicht der sinnzentrierten Psychotherapie?
Eine Vorbemerkung dazu: selbstverständlich unterscheidet auch die sinnzentrierte Psychotherapie durch eine ärztliche Differentialdiagnose schwer pathologische Störungen, die vor allem (fach-)ärztlich behandelt werden müssen, von psychotherapeutischen Störungen, die primär psychotherapeutisch zu behandeln sind.
Aus der Sicht der Logotherapie und Existenzanalyse ist das Problem der Aggressionsbereitschaft und Gewalt im Normalfall ein falsches Selbstverständnis des Gewalttäters. Sein Selbstverständnis (siehe die Aussage des 26jährigen Mörders des 3jährigen Cain) ist ohne Bezug auf Sinn. Der fehlende Sinnbezug seiner Handlungen lässt es zu, dass sein Gehirn ohne sinnvolle Richtungsbestimmung seine körperlichen Antriebe sich selbst überlässt. Der Gehirnforscher Prof. Dr. Joachim Bauer ist überzeugt, dass es einen „Aggressionstrieb“ als solchen nicht gibt. Das bedeutet nicht, dass Aggression inexistent ist. Im Gegenteil: der Aggression (vgl. Aggression, lat., bedeutet in der Psychologie bisher: triebhaftes Angriffs-Verhalten beim Menschen; als Auslöser gelten vor allem Verdrängung und Frustration) kommen nützliche Funktionen zu. Entscheidend ist jedoch, sich von der überhöhenden mythologisierenden Sichtweise der Aggressionsimpulse als „Mächte des Bösen“ zu verabschieden. Vielmehr sind, nach J. Bauer, die unterschätzten Auslöser der Gewalt Ausgrenzung und Demütigung.
Die moderne Gehirnforschung lehrt, dass Menschen auf die Erlebnisse der Ausgrenzung und Demütigung wie bei körperlichem Schmerz, der uns zugefügt wird, reagieren. Und zwar mit Aggression, auch in politischen Dimensionen. (J. Bauer, 30. Goldegger Dialoge, in: http:/oe1.orf.at/ programm/278065 und J. Bauer, Schmerzgrenze – vom Ursprung alltäglicher und globaler Gewalt. Blessing-Verlag. München).
Danach ist gefordert, die noch zumutbare Schmerzgrenze von Ausgrenzung und demütigenden Situationen für potentielle Gewalttäter neu zu bestimmen und mit Achtsamkeit zu begleiten. Angesichts des Instinkt- und Traditionsverlustes und der zunehmenden Gesetzesflut für Verhaltensregeln für junge Menschen ist es vor allem ein abgründiges Sinnlosigkeitsgefühl, eine innere Leere und ein nachhaltiger Sinnverlust, der sehr oft durch von aussen aufoktroyierte Normen verursacht wird. Normen werden oft als „Werte ohne Sinn“ - trotz funktionalem Sinnbezug – von Jugendlichen als wert- und sinnlos erlebt.


Die Logotherapie und Existenzanalyse Frankls kann Sinnverlust
wirksam bekämpfen.

Jugendliche können durch den Verlust traditioneller Strukturen oft keine soziale Integration in sie mittragenden Gemeinschaften mehr finden und fühlen sich in Ausnahmesituationen der Ausgrenzung, auch aus kleinen Anlässen, oft nicht verstanden und manchmal auch gedemütigt. Auslöser für Ausnahmesituationen sind für den Heranwachsenden alle Situationen, in denen er sich nicht verstanden, als Person nicht angenommen, sondern respektlos behandelt, ausgegrenzt, nicht wertgeschätzt fühlt. Ist in solchen Situationen kein ihn verstehender und ihn begleitender Gesprächspartner zur Seite, suchen im alltäglichen Erleben manche überforderte, vor allem junge männliche Menschen den Weg, sich über vorerst kleinere aggressive Handlungen und Verhaltensweisen den Weg zurück zum eigenen gewünschten Selbstwert, auch durch willkürliches Verhalten, zu erkämpfen. Zunehmend sind auch Mädchen direkt oder indirekt an der Entstehung von Gewaltszenarien beteiligt. Aber Gewaltanwendung ist bisher doch deutlich eine männliche Strategie, um soziale Ausgrenzung und in der Folge ihn demütigende Gefühle zu überwinden. Andere scheinbare „Auswege“ als Fluchtwege aus sozialer Ausweglosigkeit und unguten Gefühlen sind Depressivität (mit praesuizidaler Verengung) und Gebrauch von legalen Substanzen (Alkohol, Medikamente, Pilze, gesetzlich noch nicht verbotene Designerdrogen) und illegale Substanzen (Drogen, verbotene Designerdrogen). Die scheinbaren Fluchtwege aus persönlicher Isolation und nachhaltig erniedrigenden Lebenssituationen können hier nicht weiter beschrieben werden.

Wege, das Problem durch Sinnerfahrung und Wertverwirklichung
lösen zu helfen:
Sinnzentrierte Massnahmen und messbare Outputs für eine Gewalt-
prävention

Nach dem Ausbleiben zufriedenstellender nachhaltiger messbarer Resultate durch die Erziehung in Familien, Schulen, Jugendhäusern und anderen Versuchen bezüglich der Verhinderung von Gewalt, kann eine am Sinn und an Werten orientierte Erziehung einen wirksamen Beitrag zum Abbau von Gewalt einbringen.

Die Logotherapie Frankls sieht den potentiellen Gewalttäter – trotz aller Impulse zur Aggression und unbewusster oder bewusster Gewaltstrategien – als geistige Person, die fähig ist, sich zu ihren Aggressionen und ihren Impulsen zu Gewaltanwendung und allen – auch schlechten äusseren - Bedingungen, Stellung zu beziehen und sich, wenn not-ab-wendend, zu distanzieren.
Aus Anlass dieser Tatsache, dass der Mensch sich selbst vor allem auch in seinem Freisein von seinen eigenen Triebimpulsen erleben kann, wird die geistige, einzigartige Person, als begabt mit dem „Willen zum Sinn“(Frankl) vorausgesetzt und konkret evoziert („herausgerufen“). Durch Werte soll der Mensch manchmal provoziert werden. In sokratischer Haltung kann mit ihm dialogisch diskutiert und er darf letztlich auch zum Handeln angeleitet werden. Einer am Sinn orientierten Konfrontation soll nicht ausgewichen werden. Der Wille kann demnach vom Willen zur Macht und von sinnlosen luststeigernden zerstörerischen Aktivitäten abgelenkt und zu einem persönlich erlebten Sinn hingelenkt und umgewandelt werden. So wird der Wille zu einem Sinn real wirksam, auch in der Gewaltprävention.

Angesichts der schockierenden Tatsachen von roher und brutaler Gewaltanwendung mit Hilfe moderner Waffen, die Personen und Gruppen und beinahe ganze Völker in einen Zustand der ohnmächtigen Handlungsunfähigkeit versetzen kann, spitzt sich die Frage nach umsetzbaren konkreten und messbaren Massnahmen gegen sinnlose Aggression und Gewalt zu. Der bisherigen Erziehung und Bildung „zum Schönen, Wahren und Guten“ mit ihrem humanistischen Bildungsideal, aber auch der auf nur wirtschaftlicher Effizienz bedachten Erziehung, entgleiten zunehmend die Mittel zu einer wirksamen Erziehung mancher junger Menschen zum Frieden. Erziehung zur Anpassung an die vorgegebenen Normen der Gesellschaft ist kein ausreichendes Erziehungsziel mehr, um Gewalt auszuschliessen.
Frankls Logotherapie ist ursprünglich auch aus Anlass der Erziehungskatastrophe im Nationalsozialismus, die zur Vorbereitung und Durchführung furchtbarer Gewalttaten führte, entstanden.
Jene Erziehung hatte als erstes und wichtigstes Ziel die Erziehung zur Anpassung an die Normen der damaligen Gesellschaft. Das Ergebnis waren angepasste, gehorsame Bürger, die dem Diktat ihrer Zeit willig zu folgen bereit waren. War es damals ein „Führer“ mit seinem Heilsversprechen, sind es heute die nicht enden wollenden Heilsversprechen einer unersättlichen Wohlstandsgesellschaft. Beide Versprechungen führen zur inneren Leere und einem abgründigen Sinnlosigkeitsgefühl.


Was ist heute gefordert?
Als Erstes ist heute gefordert, eine Erziehung zum Widerstand gegen sinnlose Anpassung an das Diktat der Werbe- und Konsumgesellschaft. Als Zweites geht es um eine Schulung und Einübung einer veränderten neuen Sinn-Wahrnehmung. Als Drittes ist gefordert eine Dialog-Kultur im freien Spielraum der selbstverantworteten Stellungnahme, besonders für die heranwachsenden Kinder und Jugendlichen, um ihre eigene Persönlichkeit und den eigenen Selbstwert zu erspüren. Der Jugendliche erlebt in einer dialogischen Gesprächskultur soziales Dazugehören. Er gehört als ernstgenommener Dialogpartner zu einem grösseren Ganzen und sein Gefühl von ihn ausschliessenden Demütigungen wird durch das Gefühl des Ernstgenommenseins abgebaut.
Dies betrifft nicht nur schwerer integrierbare ausländische Jugendliche, sondern mit Notwendigkeit auch an den Rand der Gesellschaft gedrängte „Inländer“. Das schockierende Ereignis in Norwegen in den letzten Wochen zwingt zu einer neuen ganzheitlichen Sicht des Problems. Auch einheimische Jugendliche neigen durch traumatisierende Ausgrenzung und Demütigung, verstärkt durch Drogen- und Alkoholrausch, zu gewaltsamen Lösungen ihrer Probleme.
Als Viertes: Sinn durch Werte, Aufgaben die fördern und herausfordern
Beim Einsatz des Hauptmittels „Dialog mit dem Jugendlichen“ muss unbedingt beachtet werden, dass HelferInnen den Inhalt, den Wert (-Gegenstand) möglichst als erfüllbare Herausforderung für die Entscheidung des Jugendlichen präsentieren sollen. Daraus resultieren dann im dialogischen Prozess die verantwortbaren und erfüllbaren Aufgaben für den jungen Menschen.
Denn: Sinn kann nur durch Werte, die die Persönlichkeitsentwicklung fördern und herausfordern, und zu Recht auch gefordert werden dürfen und sollen, gefunden werden.

Zusammenfassung

Das Problem der sozialen Ausgrenzung und anhaltenden Demütigung von Menschen jeden Alters, vor allem jedoch von männlichen Jugendlichen ist - aus der Sicht der Logotherapie u. Existenzanalyse - die Verletzung des Grundwertes WÜRDE und die Behinderung bzw. Nichtförderung des Potentials junger Menschen; das Resultat ist ein geringer bis negativer Selbstwert.
Zentrale Ursache und eigendynamische Voraussetzung für das Entstehen von Gewaltakten sind demnach die Verletzung der Würde als grundlegende Voraussetzung und nicht entwickelter Selbstwert der heranwachsenden Jugendlichen durch Schwächung des Gefühls der Zugehörigkeit. Die Folge ist ein schwer reparierbarer Vertrauensverlust mit nachhaltiger Schädigung der inneren Person potentieller Täter.


Wie kann das geplante EU-Projekt dieses Problem lösen?

ZIELE

1. Das übergeordnete Ziel
Die Grundhaltung des Jugendlichen soll in den Aktionen des Alltags jederzeit mit dem Sinn-Ziel „Gewaltprävention“ durch sozial integrierende Sinnerfüllung und persönliche Ermutigung verknüpft werden. Als erwünschter Nebeneffekt werden dadurch die Ursachen von Gewalt - soziale Ausgrenzung und Demütigung mit Zerstörung des Grundwertes Würde und Zerstörung des Selbstwertes der Person - im Augenblick der sozialen Interaktion sofort in kreative Sinn-Energie umgewandelt.

Wie wird dies im Projekt gelöst?
Die Inputs der psycho-sozialen Umgebung sollen nicht mehr weiter verdrängt und unterdrückt werden, sondern sie sollen durch spontane Aktionen an den Input-Auslöser mit nonverbalen Massnahmen (z.B. staunende freundliche Mimik mit Rollenspiel und zugleich verbale humorvolle Äusserungen zur Situation im Augenblick des Geschehens) sofort in Sinn umgewandelt werden. Zur Verdeutlichung des Gemeinten nehmen die HelferInnen prophylaktisch, bevor tatsächlich schuldhaftes Verhalten sichtbar ist, „die Schuld“ für mögliche Missverständnisse auf sich - als bewusste paradoxe Intention (eine Methode der Logotherapie). Das labile Ich des potentiellen Täters soll dadurch für eine rational zugängliche Emotionalität ansprechbar gehalten werden, um aggressive Provokationen auszuschliessen. Schon die ersten intentionalen Aktivitäten sollen den potentiellen Täter auf seine eigenen menschlichen Sinn-Potentiale hinlenken. Die zugrunde liegende Haltung ist – im übertragenen Sinn – eine paradoxe, an die aggressive Verhaltensmuster, im Status ihres Entstehens, sofort, als Input an einen tatsächlichen Sinn, angedockt werden.

2. Projektziele
Das Projektziel ist, dass potentielle Opfer vor der tatsächlichen Entstehung von Gewalt ihre Wahrnehmung einüben lernen, wo ihnen ein Input von Gewalt drohen könnte, um sie noch im Entstehen sofort in eine konkrete spontane Sinnwahrnehmung transformieren zu können.



A) Teilziel: Sofortige präventive Trennung von konkreter Gewalt in der Einzelsituation:
Freiraum schaffen durch nonverbale und verbale gelingende Kommunikation:
Eine Massnahme zur Erreichung des Teilziels: Sofortige Ausschliessung der Möglichkeit tatsächlicher konkreter Gewalt durch Rollenspiele, wie lustvolles oder aggressives Weglaufen – auch gezielter Flucht -, Umdrehen, lautes Reden, Rufen – gegebenenfalls auch Schreien - neben anderen die Situation entspannender Aktivitäten. Räumliche und zeitliche Distanzierung von potentieller Gewalt soll wahrgenommen und schrittweise eingeübt werden durch Einübung von Selbstdistanzierung mit Distanzierung zum subjektiv emotional erlebten Problem und – wenn die Beziehung schon so weit gediehen ist – humorvoller Anerkennung von im Moment nicht veränderbaren objektiven Tatsachen

B) Teilziel: Beziehung stärken:
Lächeln, Lachen, Humor als mögliche spontane Veränderung des aktuellen Umgehens mit dem Ziel, ein neues überraschendes, spontanes Beziehungsmuster hervorzubringen. Mit dem potentiellen Konfliktpartner sollen schrittweise neue Rollen-Muster erlernt und eingeübt werden. Der potentielle Täter soll mit besonderer und gezielter Aufmerksamkeit in seiner unverwechselbaren Einzigartigkeit als Person und der Einmaligkeit der Situation, in der er sich befindet, wertschätzend wahrgenommen werden, um seine Fähigkeit der Selbstwertschätzung zu üben. Eltern und Familienmitglieder, LehrerInnen und MitschülerInnen, PolizistInnen u.a. HelferInnen sollen ihre wertschätzende Wahrnehmung bündeln und fokussieren lernen und in Rollenspielen Veränderungen beim potentiellen Täter fördern.
Dies ist der Beginn eines respektvollen Umgangs mit der Person des potentiellen Täters – trotz seiner anfänglichen negativen Inputs.
Im dialogischen Umkehrprozess sollen sich die HelferInnen zu DienstleisterInnen wandeln und die erkennbaren Bedürfnisse und Anliegen des potentiellen Täters zum Anlass nehmen, diesem trotzdem mit Respekt seiner Person gegenüber zu begegnen und ihm zu helfen, seine Anliegen real in einer konstruktiven Weise umzusetzen.



C) Teilziel: Emotionen unterscheiden lernen im Sokratischen Dialog:
Die Orientierung von Täter und Opfer an den Tatsachen im „Hier und Jetzt“ ermöglicht es den HelferInnen, dem potentiellen Täter menschlich zu begegnen, gleichzeitig aber auch in den sachlichen Aspekten argumentativ entgegen zu treten.
Durch seine Haltung der Achtsamkeit und des Respekts signalisiert der Helfer einem potentiellen Täter nonverbal , durch eine selbst gewählte symbolische Demutshandlung, seine Bereitschaft, sich ihm, in der Sache, seinem Anliegen, zu stellen und sich ihm, gegebenenfalls, wenn es für einen, Lösungsschritt hilfreich ist, zu „unterwerfen“; d.h., sich „in der Sache“ durch die besseren Argumente belehren zu lassen, dem Täter vorerst Recht zu lassen und die „Sache“, (vorerst) im Raum stehen zu lassen. So eine Handlung könnte sein: ein „dienendes Unterwerfungsritual“; wie z.B. Tee servieren, ein Essen zubereiten, eine Zigarette anbieten u.a.

Eine weitere Massnahme könnte sein: Um Respekt und Ernstnehmen der Person des Täters zu verstärken, sollen HelferInnen dem Täter Alternativen anbieten, die dieser annehmen kann. Solche Alternativen sollen schriftlich, in „würdevoller und stilvoller“ Ruhe (als Ritual) 1. mit den Worten des Täters wiederholt werden. 2. Sollen HelferInnen beim Täter rückfragen, ob sein Anliegen von ihnen richtig verstanden und „korrekt“ ausgedrückt wurde, und 3. sollen die HelferInnen den Täter die Alternativen nochmals selbstständig in Ruhe bewerten lassen.
Wichtig: Die Stimme der HelferInnen soll zum Instrument der Beruhigung durch Veränderung der Ton - und Stimmlage entwickelt werden. Eine Massnahme, dies nachhaltig zu verstärken, könnte der Einsatz von Kieselsteinen (in der Hosentasche) und weiters der Einsatz von Klangsteinen (vgl. Prof. Fessmann, Mozarteum Salzburg) sein.

D) Teilziel: Entscheiden lernen für eine Emotion
Die neue Grundorientierung soll die Emotionalität auch kognitiv ankern helfen, indem sie die Emotionalität in eine Richtung orientiert und eingeübt wird.

E) Teilziel: Mit Begeisterung umsetzen lernen
Die HelferInnen sollen den potentiellen Täter bei der Umsetzung selbst gesetzten Entscheidungen mit Enthusiasmus und persönlicher Begeisterung unterstützen. Eine Massnahme könnte sein: gemeinsames spontanes Lächeln, Loben, Lachen durch Übungen am Sinn orientierter Möglichkeitsgeschichten.
Spontane, auch tänzerische Rollenspiele und nonverbale improvisierende Sprache sollen den Ertrag der zuvor ausgeführten Aktivitäten in neuen Einstellungen und Haltungen mit neuen Verhaltensweisen sicherstellen.
Abschliessend soll konkretes Planen in einen neuen Lebensentwurf münden und durch konkretisierte Vorstellungen, Pläne, Schaubilder, Tabellen am Computer entwickelt modelliert werden.

AUSBLICK

Die Massnahmen (-Pakete) sollen des weiteren in Aktionen unterteilt und als zahlreiche messbare Outputs und „Results“ weiter entwickelt und im Rahmen des EU-Projekts als eine Innovation zum Thema Gewalt angeboten werden. Vorgesehen sind auch Konferenzen mit Vorstellung des Projektes, bei konkreter Anfrage.


Dr. Peter Amann, Dünserstr. 12c, A-6822 Schnifis,
Tel. +43-5524-8591, Fax +43-5524-8788